Dienstag, 26. Oktober 2021 von Christoph Prüm

Wieviel Erben hält die Freundschaft aus?

Erbe

Manchmal erreichen uns Zuschriften von Menschen mittleren Alters, die merken, dass sich in Ihrem Freundeskreis etwas ändert. Da kann sich der/die plötzlich eine Wohnung kaufen, der/die andere fährt ins eigene Ferienhaus am Meer, von dem vorher noch nie die Rede war. So um die 50 fängt die Zeit des Erbens an. Beileibe nicht für alle. Einigen ist klar, da kommt für mich nichts und da wird auch nichts kommen. Kann der Freundeskreis das aushalten? Gearbeitet haben sie alle.

Wie geht z. B. die Krankenschwester damit um, die vielleicht alleinerziehend ist und von einer eigenen Wohnung, die ihr finanziell Luft verschaffen würde, nur träumen kann? Wie geht der Erbende damit um, dass er ohne eigenes Zutun plötzlich in einer anderen finanziellen Liga spielt als seine Freunde? Geschwister teilen ein Erbe oder müssen es teilen. Freunde teilen es gewöhnlich nicht, da hört der Spaß auf. Es wäre auch schwierig und könnte die Freundschaft auf eine andere Art belasten. Privat ist das Problem wirklich schwer zu lösen.

Wir könnten aber als Gesellschaft generell das Erben so einrichten, dass allein schon von Gesetzes wegen keiner mehr vollständig übergangen werden kann. So wie es heute schon durch das Pflichtteilsrecht unter Geschwistern der Fall ist. Wenn einmal wirklich jedem seinen Grundstock an der gemeinsamen Welt stressfrei zugesprochen wird, dann werden auch darüber hinaus gehende private Erbschaften die Freundschaften weniger mit unschönen Gedanken belasten.

So weit sind wir aber noch nicht. Deshalb muss man fragen, ob die Empfindung von Mangel, angesichts großer leistungslos zufließender Erbschaften in der nahen Umgebung, immer Neid genannt werden kann. Ist nicht die Empfindung eines Mangels auch die Voraussetzung zum Erkennen dessen, was nicht stimmt in der Welt? Mahatma Ghandi wurde auf einer Reise in Südafrika als Nichtweißer aus dem Zug geworfen und verprügelt. So erfuhr er, was nicht stimmte in seiner Welt. Der empfundene Mangel kann richtungsgebend für unser Handeln werden. Ghandi hat gehandelt, das wissen wir. Andere handeln nicht und bleiben in der Empfindung des Mangels stecken. Der gespürte Mangel kann als persönlicher Hinweis zu einem lohnenden Leben verstanden werden. Der Mensch, der in einem hässlichen Hinterhof groß geworden ist und aus dieser Erfahrung heraus Architekt/in wird, verdankt der Empfindung des Mangels seinen Traumberuf.

Was also kann die Krankenschwester aus dem Beispiel oben tun? Wenn Sie ihren Traumberuf und ihr Lebensziel schon gefunden hat, dann verspürt sie auch kaum einen Mangel. Wenn sie den dennoch verspürt, dann wartet die Arbeit für eine gerechtere Welt und ein geschwisterlicheres Miteinander auf sie.

Wir haben damit schon mal angefangen.

 

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