Mittwoch, 10. Juli 2024 von Christoph Prüm

Reizwort Umverteilung

UMverteilung

Es gibt Wörter, die lösen bei manchen Menschen nahezu allergische Reaktionen aus. Eines davon ist das Wort "Umverteilung". Sie beklagen, dass jetzt schon über ein Drittel des Bundeshaushalts Sozialleistungen sind, und 10 % der Steuerpflichtigen die Hälfte aller Lohn und Einkommensteuern zahlen. Wäre also ein allgemeines Grunderbe eine eine zusätzliche Umverteilung?

Mit Umverteilung im gesellschaftlichen Kontext ist hier gemeint, dass Gruppen erfolgreicher Mitbürger über staatliche Maßnahmen Teile ihrer Erlöse aus ihrer normalen marktwirtschaftlichen Tätigkeit gegenleistungslos an wirtschaftlich schwächere Gruppen abgeben. Wobei das mit den Gruppen für den einzelnen Bürger eigentlich Quatsch ist. Es sind letztendlich immer Einzelpersonen die einen Steuerbescheid bekommen, also zahlen müssen und Einzelpersonen, die vom Jobcenter eine Zahlungszusage bekommen. Aber ganz entscheidend für den Begriff der Umverteilung ist, dass die Übertragung ohne Gegenleistung erfolgt. Das ist es letztendlich ja auch, was die Zahlenden zuweilen aufregt.

In der Wikipedia sind aktuell 5 Arten der Umverteilung genannt:

  1. Umverteilung durch Steuerpolitik
  2. Umverteilung durch Sozialleistungen und Subventionen
  3. Umverteilung innerhalb der Sozialversicherungen
  4. Umverteilung durch Krankenkassensystem
  5. Umverteilung durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes

Wäre das Grunderbe jetzt die Nummer 6 der gegenleistungslosen Umverteilung?

Irgendwie scheinen wir alle blind zu sein. Während in Wissenschaft, Politik und Medien um die Notwendigkeit und die Höhe staatlicher Umverteilung gestritten wird, läuft zeitgleich nebenbei und ziemlich geräuschlos eine solche, durchaus auch staatlich geregelte und gegenleistungslose Umverteilung ab. Sie umfasst mindestens das Doppelte des Sozialetats des Bundes.  Jährlich werden Werte in Höhe von 3 bis 400 Milliarden von der abtretenden an die nachkommende Generation gegenleistungslos um-verteilt. Wobei das mit dem Verteilen in der nachkommenden Generation nicht so richtig funktioniert. Wenige Prozent der Menschen dort erhalten den Löwenanteil, die Hälfte erhält nichts.

Das Grunderbe will nur eines: In diese bestehende und laufende Umverteilung des Vererbens und Erbens einen Funken mehr Gerechtigkeit hineinbringen. Keinesfalls will es ein neues Fass aufmachen und eine neue Umverteilung erfinden. In der Höhe wird sich an dieser bestehenden Umverteilung auch nichts ändern, auch nicht an der Art: Alles Hinterlassene wird, wie es vorher war, in privater Hand bleiben, der Staat hält seine manchmal vielleicht gierigen Finger hier vollständig raus.  Aber in der Gruppe der Empfänger wird jeder einen Mindestanteil erhalten. Dieser, zumindest ansatzweise Schritt zur Chancengleichheit  sind wir der Demokratie und der Menschenwürde schuldig. Wenn also das Grund-Erbe eine Umverteilung ist, dann ist es jedes andere Erbe auch.

Seit einem dreiviertel Jahr gibt es in der Wikipedia eine Seite zum Grunderbe. Es wird dort unter anderem als Transferleistung bezeichnet.  Dem liegt der gleiche Denkfehler zugrunde. Sicher wird hier Geld transferiert von scheidenden zu neu gekommenen Menschen. Aber wenn das Grunderbe eine Transferleistung ist, dann ist es jede andere Erbschaft auch. Wir müssen anfangen die Augen aufzumachen und die Dinge beim Namen nennen. Wir müssen unsere Erzählung vom Erben und Vererben der Wirklichkeit anpassen. Sippen, Clans, also Familien nachdem die Kinder groß geworden sind, verlieren in einer modernen brüderlichen und demokratischen Gesellschaft ihre beherschende Bedeutung. Es gibt letztendlich nur Idividuen. Bürger, die mit den begrenzten materiellen Ressourcen der Erde einigermaßen gerecht umgehen müssen. Es gibt beim Vererben und  Erben keinen grundsätzlichen Unterschied zu anderen Umverteilungen oder Transferleistungen, denn alle sind nichts anderes als Übetragungen zwischen einzelnen Indivuen. Alle Menschen in einer echten Demokratie müssen in die natürliche Vermögensübertragung zwischen den Generationen einbezogen werden. Das Grunderbe erhöht nicht im Geringsten die Umverteilungsrate in der Republik, sondern macht die seit jeher bestehende und auch unvermeidliche Umverteilung des Vererbens und Erbens einen Tick gerechter.

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