Donnerstag, 1. November 2012 von Christoph Prüm

Grunderbe oder Grundeinkommen?

Startkapital, oder lebenslange Dauerversorgung von Kindesbeinen an? Das ist die Frage.

 

Während sich die Ziele des Grunderbes und des Grundeinkommes, die im Hinblick auf die bessere Lebensqualität der Menschen, die erreicht werden soll, zumindest überschneiden, sind doch die Ansätze dazu sehr verschieden:

Das Grunderbe zielt ab auf eine angemessene Beteiligung eines/einer jeden an dem „was da ist", also an der Substanz, die die Erde uns allen bietet. „Was da ist" schließt ausdrücklich auch das ein, was von den Vorfahren aus der Erde gemacht worden ist. Es ist unser aller Erbe im Guten wie im Schlechten. Es liegt an uns lebenden Menschen, nicht nur die Erde selber, sondern auch die hinterlassenen Güter gerecht unter uns zu verteilen, was immer das Wort „gerecht" in diesem Falle bedeuten mag. Gerecht finde ich beispielweise nicht: Alle erben das Risiko von Atommüll, Umweltzerstörung und Staatsschulen und wenige erben das Geld, das vorher damit verdient wurde.

Das Grunderbe zielt also ab auf das was da ist und wofür sich kein lebender Mensch mehr plagt. Das Grundeinkommen dagegen, zielt dagegen auf eine laufende Versorgung ab, auf einen Anteil an der laufenden Wirtschaftsleistung des Landes. Das Problem dabei ist, dass es damit auf die laufende Arbeitsleistung der Mitmenschen zielt. Ob jemand ein legitimes Recht auf die Arbeitsleistung seiner Mitmenschen beanspruchen kann ohne in Not zu sein und ohne die Verpflichtung zu einer entsprechenden Gegenleistung einzugehen, ist sehr fraglich.

Noch in einer anderen Hinsicht ist das Grundeinkommen fraglich. Es setzt einen Steuer-  und Regelmechanismus unseres Wirtschaftssystems teilweise außer Kraft: Laufendes Einkommen ist in der Regel die Entlohnung, also die Folge einer wirtschaflich nützlichen Tätigkeit. Wird dies teilweise aufgehoben, kann es zu Fehlentwicklungen kommen die die Wirtschaft und den Wohlstand insgesamt beeinträchtigen.

 

Dazu eine kleine Geschichte:

Brunnen

Darf Wasser Geld kosten?

In dem Dörfchen Patar im afrikanischen Sénégal, ist (oder war zumindest vor 20 Jahren) ein 40 m tiefer Brunnen. Er ist gemauert, hat einen Durchmesser von ca. 2 m, liefert ein ausgezeichnetes Wasser und davon endlos viel. Wir bauten eine Winde mittels der 2 Mann unter Anstrengung, aber doch effktiver als die Frauen mit ihren Rollen das Wasser nach oben bringen konnten. Mein Vorschlag war, das so geförderte Wasser zu verkaufen, als Lohn für die Windendreher und für den Erhalt der Winde. Das stieß auf ziemliche Proteste: Wasser sei grundsätzlich für alle da und nicht verkäuflich. Die Diskussion, die sich daran anschloss, schien mir auch typisch für die Disskussion um das Grundeinkommen oder Grunderbe.

Grundeinkommen meint in diesem Beispiel: Jeder Dorfbewohner Und jede Dorfbewohnerin bekommt gratis eine Mindestmenge des geförderten Wassers, eventuell sogar frei Haus. Die Frage dabei ist, von wem bekommen sie das Wasser, denn jemand muss es ja aus dem Brunnen fördern.

Grunderbe meint: Jede/r hat einen Anspruch auf einen angemessenen Anteil an dem von den Vorfahren hinterlassenen Brunnen; und natürlich an dem Wasser – aber dort wo es sich natürlicherweise befindet: unten im Brunnen.

Einen begründbaren, natürlichen Anspruch eines jeden menschlichen Individuums auf einen Anteil an den vorhandenen Ressourcen der Erde gibt es allemal: Allein weil jemand da ist in der physischen Welt, und weil jeder Mensch atmen, essen, wohnen und wie hier trinken muss. Aus dem reinen Geborensein also hat jeder Mensch den Anspruch auf einen angemessenen Teil der für ihn lebensotwendigen und vorhandenen Resourcen. Und gleichzeitig hat er diesen Anspruch, weil er den Mitmenschen gegenüber bzw. gegenüber der Gesellschaft einen Anspruch auf Gleichbehandlung hat. Dieser Anspruch bezieht sich auf das Wasser unten im Brunnen. Aber, dass jemand für ihn das Wasser aus dem Brunnen hochwinden soll, ist ein Anspruch auf die Arbeitsleistung anderer Menschen. Woher soll der herkommen?

Nochmal: Einen angemessenen Teil vom (Ur-)Wald mit seinem Holz und wildwachsenden Beeren beanspruche ich schon, aber ein Recht darauf, dass mir einer sie pflückt und nach Hause bringt, am besten das Brennholz gleich mit, das habe ich wohl nicht.
 
Wenn man dennoch ein Recht auf ein Grundeinkommen formulieren wollte, dann wäre das eine Art Ersatzrecht: Der große, vom Erben ausgeschlossene Teil der Bevölkerung könnte sich vor dem reichsten Zehntel der Bevölkerung, das den übergrößten Teil der Republik weitgehend geerbt hat aufbauen, und mit Recht sagen: „Ihr, die ihr euch alles das, was wir brauchen um uns selber unser Auskommen zu verschaffen, unter den Nagel gerissen habt und es nicht hergeben wollt: Bitteschön, dann ist es nur gerecht wenn ihr für uns sorgt".
 
Diese Forderung wäre aber nicht das natürliche, originäre Beteiligungsrecht das wir von Geburt her haben, sondern sein Ersatz. Damit wäre das Grundeinkommen also eine Pämie in Form einer Rente für den Verzicht auf unser Erbe, auf unseren natürlichen Anteil an der Welt.
 
Da stellt sich natürlich die Frage: Warum fordern wir nicht zuerst unser originales Recht auf einen angemessenen Anteil, also ein Grunderbe? Trauen wir uns nicht zu das Wasser zu fördern, die Beeren zu pflücken und das Holz zu spalten? Warum sollen wir die Forderung von Bettlern stellen?

  

Schließen wir dieses genannte Ersatzrecht einmal aus, dann gilt: Wenn es je zu einem Grundeinkommen oder vergleichbaren Leistungen (eventuell Bürgergeld, Grundsicherung etc.) kommt, was ich auf einem niedrigen Niveau immer noch gut finden könnte, dann wird es kein (natürliches, echtes) Recht sein, sondern eher ein Geschenk. Ein Geschenk der Arbeitenden und Besitzenden an diejenigen, die die Sache mit dem Geldverdienen nicht so gut hinkriegen. Doch, zweifellos, Geschenke sind eine gute Sache – wenn sie als solche wahrgenommen werden können. Ob unsere Gesellschaft schon soweit ist, dass sie auf Seiten der Arbeitenden und gut Verdienenden diese Großzügigkeit aufbringen kann, als auch bei den Annehmenden die entsprechende Dankbarkeit? Oder auch nur die Bescheidenheit, die für die Annahme eines Geschenkes doch erforderlich ist, und aus der allein die Freude über dieses Geschenk entspringen kann? Ich bezweifle dass ein Grundeinkommen diese Freude und diese Befriedigung, und ja, diese Besonnenheit herstellen kann, die Erträge aus eigener Arbeit gewöhnlich erbringen. So ergibt sich eine weitere Frage: Bis zu welcher Höhe mag ein Grundeinkommen als ein Geschenk der Dauerfürsorge ein Segen für den Beschenkten sein und wo beginnt der Schaden?
 
Der wesentliche praktische Unterschied zwischen Grunderbe und Grundeinkommen scheint mir der zu sein dass, selbst wenn ein Grundeinkommen (auf höherem Niveau) funktionieren würde, dass dann viele Menschen ins (möglicherweise durchaus erträgliche) Abseits gestellt würden: Die Hauptakteure der Republik werden sagen: „Wir  machen, und ihr gebt (politische) Ruhe". Ein gesicherter Konsum kann aber nicht eine echte reale Mitbeteiligung an der Macht und an der Verantwortung auf allen Ebenen in der Republik ersetzen. Dazu braucht es Eigentum und Erfahrungen die in der Regel nur mit dem Eigentum zusammen gemacht werden. 
 
Eine Gesellschaft, die in eine Schicht zerfällt, die die Republik managt und alles bestimmt, einschließlich der Meinung – soweit diese mit Geld manipulierbar ist – und in eine, die durch Brot und Spiele (und manipulierte Meinung) ruhig gestellt wird, ist für alle nicht befriedigend und bleibt auch instabil. Alle Menschen sind zum Gestalten berufene Wesen; dazu brauchen sie die Möglichkeiten. Das Problem der immer weiter gehenden Konzentration des Kapitals und damit der Gestaltungsmacht auf wenige wird von einem Grundeinkommen nicht angegangen; vom Grunderbe schon.
 
In Patar im Sénégal war die Geschichte übrigens so ausgegangen: Am Anfang wurde eifrig gedreht und Wasser gefördert und verteilt. Einige der Dreher legten neben dem Brunnen sogar Gärten an. Nach einiger Zeit der Anstrengung ohne richtigen Lohn, erlahmte der Eifer doch schon. Als dann noch das Seil letztendlich unreparierbar riss, gab es keinen Eigentümer der sich darum kümmern konnte und auch keine Kasse für Reparaturen. Da der Spender der Winde keinen Bock hatte noch mehr Geld in die Geschichte zu stecken, gab man die Sache meines Wissens auf.
 
Die Winde wird irgendwo vor sich hinrosten oder jemand hat sie in seine Hofumfriedung eingebaut Das ist dort offenbar, wie ich mehrmals gesehen habe, die ortsübliche Verwendung von technischem Entwicklungshilfematerial. Und die halbwüchsigen Jungs werden wieder in der Mittagssonne rum lungern.

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